Uporigination (Flucht und Wiederkehr XXVI)

In der Traumzeit suchte, der Morgen graute
fern vom Stamm am großen Fels,
der Geist des ersten halbnackten Wesens,
euch Jungen gleich, malend nach den Ahnen.

Warum, fragte er, seid ihr nicht mehr als bloße Erinnerung,
strahlt durch euer Vergehen meine eigene Endlichkeit an
und lehrt mich euer Scheitern Demut oder
ermahnt es mich, eure Ohnmacht zu verfluchen?

Nicht kann ich jenseits meiner Gedanken Zeitenräume  durchschreiten,
dem ungewollten Tod in die Arme der Jugend entfliehen,
stets werde ich zurückgeworfen in den öden Busch, unter die gleißende Sonne,
stets ist alles was mir widerfährt Durst und Verzweiflung.

Die Zeit zu vermessen bedarf der Kenntnis des Raumes,
sie tanzen miteinander wie Fluten im Lauf des Mondes;
viele Wanderungen, endlose Jahre des Wachens unter Sternen,
unzählige Geschichten, Initiationen und das Wissen keimt.

Wie eine verborgene Wurzel in flirrender, rötlicher Weite aufzuspüren,
graben dessen Schüler unermüdlich nach den Geheimnissen der Beschaffenheiten,
finden Zeichen, entwickeln Sätze für das Kleinste, das Größte, für das Mischen von Stoffen,
formen Sprachen, beschreiben Dinge, die aus Natur und doch nicht heimisch in ihr sind.

Erfahrungen betten sie in den Zeitenregen wie Ameisen ihre Eier auf lebendige Flöße retten,
ihre Errungenschaften werden riesenhaft und bergesschwer,
Krokodilszähne der immer im Wandel begriffenen Gestalten fressen tief im Leib der Erde,
und ihr sumpfiger Atem legt sich als Schleier über klare Himmel –

Verzweiflung wird sie treiben und Durst, denn ich bin ihr Vater.

Ein Weltenbrand umstürmt ihre Erde und wie uns die Asche der Buschfeuer frisches Gras schenkt,
durchbricht Hoffnung ihre Trümmer, die Geister des Morgen verweben alle Träume,
alle Wirklichkeiten, erschaffen im Wissen um die Erzählung das Bewußtsein darin neu.

Was uns Hütern des Lichtes und der Wärme ein Feuerstein, ist ihnen die Zeitenhütte,
was uns die Sonne, ist ihnen ein Sandkorn,
was uns das Leben, ist ihnen ein Moment des Vergessens inmitten kreißender Ewigkeit.

Sie winken über einen breiten, anschwellenden Strom, gefährlich und verführerisch,
arrogant, unwissend, doch neugierig und liebenswert zugleich,
erlangen Macht über den Ursprung der Gedanken –

gießen sich Schlüssel zur Zeit, durchdringen Manifestationen aller Räume
und wenn wieder das Größte ins Kleinste eingeht, das Kleinste dann birst,
werde ich sie und sie euch, ihr Ahnen, geboren haben, wie ihr zuvor mich.

 

[1] , [2] , [3]
Faron Bebt
schreibt Geschichten mit bunten Botschaften und einem hartem Kern. Immer etwas dogmatisch, aus der Zeit gefallen, verstörend verträumt - wie letzte, angemalte Großstadtbunker --Farbbeton.

6 Kommentare

  1. Verzeihung, aber hier klingt mir doch sehr der Jünger durch. Oder Neo Rauch’s Bilder. Irgendwie was teutschtümendes… aber dies ist im ;moment noch nur vages Gefühl. Zerreißen Sie meine Eindrücke, ich waere Ihnen dankbar. Ich bin heute Mittag etwas überarbeitet…

    1. @fragende Arbeiter*in

      Teutschtümelei? Ich schreibe vielleicht tatsächlich „wortgewaltig“ im Sinne Jüngers (über dessen Stil ich zwar etwas gelesen hab, dessen „Stahlgewitter“ mich, einen anerkannten Kriegsdienstverweigerer, aber nie sonderlich zum Lesen gereizt haben, zudem eine Verklärung der Grauen des Krieges nur eine andere Form des Wahnsinns darstellt, als Schutz vor dem unmittelbaren Nervenzusammenbruch.

      Einige meiner Verwandten starben entweder in den letzten Kriegstagen oder kehrten (teils Jahre später) mit seelischen Narben heim, die auf die nachfolgenden Generationen abfärbten. Und da dies auch mich betrifft, verarbeite ich die Thematik in einigen Texten, jedoch nicht in diesem.

      Ich sah mich als junger Mensch – und auch heute noch aus guten Gründen – immer in der Tradition der dieser Tage oftmals aus antideutscher Ecke als „strukturell antisemitisch“ diskreditierten, antiimperialistischen Linken, also jenen, die von den Verbündeten der Antideutschen, den Radikalen der „Mitte“ massenmedial als „Neurechte“ diffamiert werden (was perfide ist, da tatsächliche Neurechte sich viele altlinke Standpunkte überstülpten, um ihren Menschenhass, den ich zutiefst verachte, zu kaschieren). Die urbane „Linke“, die eher etwas mit Gender, Mimimi und Pipapo am Hut hat, denn mit Klassengegensätzen, passt den neoliberalen Eliten also wunderbar als kulturvierbares, linksliberales Feigenblatt in den Kram – eine Gleichstellungsbeauftragte für Mittellose fordern die nämlich nicht.

      Nun aber zum Text:

      Mein Ziel war, einen Bogen zu spannen, der tausende Jahre Menschheitsgeschichte umfasst,
      ein Szenario zu skizzieren in dem die ersten Ureinwohner Australiens die Zukunft mit Gleichnissen „malen“, eine Sprache nutzend, wie sie kurz nach ihrer Ankunft 40.000 v Chr. existierte. Ich achtete also darauf, dass kein im Text verwendeter Begriff einen modernen Kontext des Verständnisses benötigt.

      Die Möglichkeit darzustellen, dass diese „ersten, halbnackten“ Menschen die Fähigkeit besessen haben könnten mittels ihres Verstandes unsere Gegenwart vorherzusehen und sogar eine Zukunft, die den Kreis des Seins schließt (vergl. Omega-Punkt-Theorie von Frank J. Tipler), faszinierte und motivierte mich – als Mahnung an die vermeintliche Exzeptionalität moderner Menschen.

  2. William S. Burroughs is heralded as the first cut-up author. The story of the origination of his cut-ups is as follows:

    „One day…while cutting a mount for a drawing, Brion Gysin [an artist friend] sliced though a pile of newspapers with his Stanley blade, and made a mosaic out of the strips of newspapers, because it looked visually interesting. Then when he read it he thought it was hilarious. When Burroughs got back from lunch, Brion said, ‚By the way, look at this.‘ Brion thought it was just an amusing accident, in the line of the old Surrealist games. But for Burroughs, who was looking for ways to escape from antiquated concepts of the novel, from the nineteenth-century stucture of moving characters around within a plot, Gysin’s cut-up newspapers switched on the electric light bulb over the cartoon character’s head.
    To Burroughs, the cut-up introduced an element of randomness and an element of time. Instead of writing being like a still life, writing with the use of cut-ups was like walking around the block. It made explicit a simple sensory process that was going on all the time anyway–which is that when you’re reading a newspaper, say, you’re reading one column but you see the other columns as well, and the bus you’re on and the person sitting next to you. There was a juxtaposition of what you were doing and what was happening around you. What the cut-up method did was to incorporate that juxtaposition.“ (Morgan, Ted. Literary Outlaw: The Life and Times of William S. Burroughs. New York: Henry Holt and Company, 1988, p. 321.)

    Burroughs cut ups were the subject of debated praise and insult for respected artists and literary figures at the time.

    In a letter to New York poet Ted Berrigan, Burroughs said, „‚to me the most interesting aspect of the cut-ups is that it introduces the unexpected into writing.'“ (Morgan, Ted. Literary Outlaw: The Life and Times of William S. Burroughs. New York: Henry Holt and Company, 1988, p. 403.) And yet, at the same time, it is simply how we, as humans, think and live, the „simple sensory process“ that Burroughs felt the cut-ups made explicit.

    http://facultysites.vassar.edu/mijoyce/SMargolin/cutup.html

  3. Es ist ein handwerklich gut gemachtes Gedicht, aber eben nicht sensationell neu. Vielmehr spüre ich hier Ärger, Rückzug, Wut und Einsicht, dass die Dummheit wohl doch siegt. So wie Tucholsky es auch sah.

  4. Was hat das nun mit einer alltäglichen Situation im Berufsleben Erwachsener oder mit der Mathearbeit bei Schülern und Studenten zu tun? Nun, auch hier reagiert unsere Amygdala – das ist der Bereich unseres Gehirns, der für diese Art von Reaktion zuständig ist. Die einzige Aufgabe der Amygdala ist dabei, unser Überleben zu sichern. Hatte man also in einer vorangegangenen ähnlichen Situation in der Vergangenheit ein negatives Erlebnis, ist dieses gespeichert – unsere Amygdala wird aktiv. Größter Lieferant für negative Erlebnisse, auf die die Amygdala gerne zurückgreift, ist unsere eigene Schulzeit. Wie oft sind wir da in unangenehme Situationen geschlittert? An der Tafel etwas zeigen oder vorrechnen – wie peinlich, wenn man einen Fehler macht und die Klasse lacht. Ein Referat halten – ebenso peinlich, wenn man sich verspricht. Der Lehrer schaut einem während der Klassenarbeit über die Schulter und geht wortlos, aber mit einem Kopfschütteln, von dannen. Situationen wie diese gibt es wie Sand am Meer.

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