Zum Beispiel: Thomas Mann, Der Zauberberg, 1924
Heute: Dr. Leo Blumenkohl aus Odessa.
– junger Mann mit dünnem Schnurrbart
– der Kränkste am ganzen Tisch
– still, ernst und menschenscheu – er „frühstückte vollständig schweigend“
– lehnt es „rundweg ab“, sich mit Hans Castorp bekannt zu machen
– mit einem Gesichtsausdruck, als habe er “ etwas Schlechtschmeckendes im Munde“
– nahezu täglich muss er sich mit dem Blauen Heinrich besprechen
– steht während einer Mittagsmahlzeit auf, nachdem sich „der leise angewiderte Ausdruch seines Gesichtes noch verstärkt hatte.“
– sein Weggang wird von Frau Stöhr mit „mitleidigen Glossen“ begleitet: „hier aber zeigte sich Frau Stöhrs große Unbildung im vollsten Licht, denn wahrscheinlich aus gemeiner Genugtuung darüber, dass sie weniger krank war als Blumenkohl, begleitete sie seinen Weggang mit halb mitleidigen, halb verächtlichen Glossen.“
– irgendwann im Buch heißt es, er sei „von dem Tisch weggestorben“.
Herr Pörksen, Ihr neues Buch leiht sich den Titel aus dem «Zauberberg», wo im Kapitel «Die grosse Gereiztheit» eine «namenlose Ungeduld», eine Neigung «zu giftigen Wortwechseln» und «zügellosem Hin- und Hergeschrei» diagnostiziert wird. Ist die digitale Gesellschaft, sind wir reif fürs Sanatorium?
Quelle: https://www.nzz.ch/feuilleton/bernhard-poerksen-wir-sind-auf-dem-weg-zur-empoerungsdemokratie-ld.1355041