Neunzehnuhrneunundzwanzig:

Ich bin kaputt. Dabei habe ich eigentlich nur bis fünf Uhr effektiv gearbeitet – aber immerhin viereinhalb Seiten geschrieben. Hab jetzt sechzehn Seiten im zweiten Kapitel und schon vier Seiten für den Schluss, aber die müssen nochmal überarbeitet werden. Mein Kopf tut mal wieder weh… ich hoffe nur, dass das irgendwie alles wenigstens einigermaßen gut ist. Gleich kommt Lisa, heute mit Chardonnay. Auch wenn ich totmüde bin… Ich hoffe, morgen hat die Bibliothek auch auf. Habe grad mit Christian telefoniert und dann klang es schon wieder gar nicht so wild, dass er morgen nicht kommt. Ist wirklich besser so und ich freue mich, dass er sich mit Tanja so gut versteht und sie ihn besucht. Ich bin auch nicht einfach – werde besitzergreifend nur  weil ihn eine Freundin besucht, die er ewig nicht gesehen hat, bloß weil er mal vor ein paar Jahren verliebt in sie war. Klar könnte was passieren – aber na gut, so ist das ja immer. Seit ich mich an meine Haltung zu so was erinnern kann, sage ich doch immer, es sei ja okay, wenn mich jemand betrügt. Dann bin ich eben weg. Wie immer.
Liebe enthält eben keine Sicherheit. Man sollte doch heiraten, aber anders… Zwei Menschen, die sich aufrichtig versprechen, immer füreinander da zu sein, die sich aufeinander verlassen können und beieinander ein zuhause finden – so dass man das Herz für die Liebe frei hat. Sicherheit findet man in dieser Bindung, so eine Art familiäre, friedliche, freundschaftliche Liebe, innig, aber eben solide. Und die wilde, romantische, leidenschaftliche Liebe findet man außerhalb. Wo sie hin gehört, im Schweben, im Freien, im Verrückten, Kompromisslosen, Flatterhaften, Extremen…
Mein Kopf ist schwer. Es ist gut, dass Christian demnächst weniger Zeit hat. Das ist völlig eingerissen, hat kettende Formen von beiden Seiten angenommen. Wann bin ich eigentlich so geworden? Dieser Anzugträgertyp… und dann irgendwann das tägliche Telefonieren… Bald bin ich wohl selber tanja. Gut, dass die sich morgen sehen.

Es ist schon komisch: machmal erlebt man Stunden von Höchstleistung und schreibt mehrere Seiten hintereinander weg, gerne auch mal nachts –  und dann Momente wie jetzt, wo man schon alle Kraft aufbringen muss um den Kopf oben und die Augen offen zu halten. Wenn ich jetzt einschlafe, wache ich glaube ich nicht mehr auf.

Ein Kommentar

  1. Da liest man schnell mal was so nebenbei, kaut sein frühstücksbrot und stolpert über zunächst recht harmlose neunzehnuhrneunundzwanzig -zeilen. Zu spät zum runter scrollen, Stolpersteine sind schon im Kopf wie folgt:
    Ein schöner Satz: Das Herz für die Liebe freihaben.
    Ein (zu) einfacher Gedanke: Wilde Liebe findet man nur außerhalb.
    Ein naheliegender Schluss: Liebe enthält keine Sicherheit.
    Frage: Deswegen auf Ehe verzichten? Weil es keine Sicherheit gibt? Wo ist außerhalb, wo innerhalb?
    Merke: Was morgen sein wird, versuche nicht zu ergründen (Horaz).

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert