en passant schlagen

Es ist an der Zeit, Fräulein Pikante Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Als junges Mädchen war sie charmant. Sie turnte mit den Jungen auf den hölzernen Gerüsten im Sandkasten, spielte als Libero Fußball, erkannte beim Schach die Züge, bei denen sie en passant schlagen konnte. Ja, sie war ein schlaues Mädchen. Ihr erster Freund: ein Draufgänger und Motorraddieb. Sie kurvte auf dem Sozius mit, bis der Tank leer war. Dann ließ der Freund das Motorrad im Graben liegen. Sie mußten 50 Kilometer zurück nach Hause laufen. Das fand sie dann doch blöd und sie streckte den Arm aus. Rasch wurde sie per Anhalter mitgenommen. Sie war ein scharfes Mädchen. Vor allem, wenn man sie im Gegenlicht sah. Der Freund konnte getrost weiterlaufen. Nach Hause würde er ohnehin nicht kommen, vor der Tür wartete die Polizei auf ihn. Das war das Ende. Für Fräulein Pikante: ein neuer Anfang. Der nächste Freund wurde der Vater ihrer Tochter. Er wußte davon nichts. Sie hatten sich platonisch im Schachclub kennengelernt und am frühen Abend ist etwas Tieferes daraus geworden. Als sich Fräulein Pikante an jenem denkwürdigen Tag im April die Gewißheit verschaffte, schwanger zu sein, trennte sie sich. Sie würde es schon allein schaffen. Allein gäbe es auch nur halb so viel Diskussionen, oder gar keine.

Marquis de Passade
geb. am 2. Juni 1940 in Triest, slowenischer Adliger mit französischen Wurzeln, wurde bekannt dank ei-ner Reihe kirchenfeindlicher und philosophischer Essays, die er im Gefängnis schrieb. Nach seiner Ent-lassung wanderte er aus und nahm eine halbe befristete Stelle an einer deutschen Hochschule an, um die Sadismen des akademischen Prekariats zu studieren. Passades Werke nehmen Kritiken am effizienzbasierten Studium vorweg, dessen Auswirkungen erst mehr als ein Jahrhundert später im Niedergang des westlichen Zivilisation sichtbar werden.

2 Kommentare

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert