Kreuzung zweier Linien [2, 7]

Wir hatten uns an einem gesichtslosen Ort getroffen, vielleicht einer Straßenecke, die als Kreuzung zweier Linien auf einem Stadtplan die potentielle Vereinigung zweier Namen im Assoziationsraum eines lebenden Wesens bildet, um fortan eine lose Gestalt, vielleicht eine Mauer, vielleicht ein Haus oder – so etwas gab es damals noch in jener Stadt, die den Ort dieser Geschichte abgibt – gar einen freien Raum, eine Lücke in der Bebauung des ansonsten dicht bei dicht von Mauerwerk angefüllten Grundes, zu bilden: Doppelform aus namentlicher Bezeichnung und bezeichnender Gestalt, wie sie ein lebendes Wesen ausmacht, das zumindest einen Körper mit einer Stimme in Einklang zu halten hat, solange es als Bestandteil des den Sinnen zugänglichen Raums gelten will, in dem sich die Frage nach der Bedeutung des Geformten in jedem Augenblick neu stellt. Diese Frage nahm nach unserer erneuten Begegnung, die als Zusammentreffen zweier Körper in der Dreidimensionalität Euklids zumindest das Problem der Unterscheidung verschiedener Umstände dieses Zusammentreffens stellt – Zufall oder Notwendigkeit, welcher zufällige Beobachter vermochte das schon zu sagen an einer Straßenecke wie dieser? – die Form des Mundes an, der sich unwillkürlich mit Flüssigkeit füllt, so wie ein Glas, das in einem Garten auf einem Tisch im Regen stehen gelassen wurde, sich Tropfen für Tropfen mit Himmelsspuren füllt, und dementsprechend mag unsere erste Umarmung auch Begegnung zweier Wolken in einem tropischen Regenguss genannt werden.

Zhenja
Künstlername des aus Südrußland stammenden Dichters Jewgeni Sacharow; hob unter nickname Zhenja 2007 gemeinsam mit Gesche Blume und Viktor Kalinke den literarischen Blog www.inskriptionen.de aus der Taufe. Das seit 2009 verwendete Pseudonym stand dabei zunächst Pate für eine Reihe von Versuchen, sich zugleich die Bild- und Klangsprache des 1922 verstorbenen futuristischen Dichters Viktor Vladimirovic Chlebnikov und die Ausdrucksmöglichkeiten des Deutschen als literarischer Nichtmuttersprache zu eigen zu machen. Zunehmende Vermischung eigener Sprachschöpfungsprozesse mit dem Ideenfundus des russischen Avantgardisten bis zur „non-rem-fusion“. Sacharow lebt und arbeitet seit 2008 als Garderobier und freischaffender Autor in Frankfurt am Main. Projekt der beiden in Deutschland ansässigen russischen Dichter Jewgeni Sacharow und Sascha Perow, „Brüder im Namen“. Jewgeni beschäftigt sich seit 1990 mit Drama in - wie er es nennt - Außenprojekten, ich dagegen (Perow) versuche mich gelegentlich an Übersetzungen aus dem Russischen; mein Ziel: Erschaffung eines neuen Dialekts der Weltpoesie, der „Sternensprache“. Wichtig war für unser Inskriptionen-Doppelleben die Begegnung mit der deutschen Dichterin Hanna Fleiss im Winter 2012 in Berlin.

4 Kommentare

  1. Der Raum benötigte eine Weile, bis sich die Erkenntnis, Geometrie sei jene Krümmung, die ihm aus dem Fließen der Ereignisse auf der anderen Seite als beruhigende Struktur der Leere zuwuchs, in den Zustand der Gewissheit versetzt hatte, in die Illusion des Offenbaren oder jene reflexartige Gewohnheit des Anschauens, die jeden konkreten Wert in der Realisierung eines Hier und Jetzt mit dem entgegengesetzten Vorzeichen seines ursprünglichen Erscheinens versah, so wie der Mensch ein Mensch ist, weil er nichts anderes braucht – bittesehr!

  2. Natürlich sind Computer reizbar bzw. reagibel. Sie verstehen Reize und können auf sie auch sinnvoll reagieren. Leicht wäre denkbar, den Umfang der Reizsensibilität auszuweiten, den Computern weitere Sinnesmodalitäten zu eröffnen und umfangreichere Programme, die einlaufenden Reize bewerten können. Noch ist das nur wenig der Fall. Der Informationsinput muß in einem eng definierten Rahmen liegen, sonst gilt: garbage in – garbage out. Den Computern fällt es sehr schwer, Müll von relevanter Information zu unterscheiden und er kann irrelevante Informationen kaum zurückweisen. So hat er z.B. keine Reaktionsmuster auf die Bedrohung, wenn ich mit der Axt auf ihn zukomme oder ihm drohe, den Stecker herauszuziehen. Diese Beispiele zeigen, wie umfangreich die Erweiterung des Sensoriums und der Bewertungskriterien sein müßte, um dem Computer Leben ähnliche Reizbarkeit zuschreiben zu können.

  3. Da so eine Lampe aber nun mal ein bisschen näher ist als der Mond und sich bei Bewegung ständig ihre relative Position verändert, fliegt das Insekt immer um die Lampe, obwohl das arme Ding doch eigentlich nur geradeaus will.

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