Schweinegeometrie [4, 2, 1]

Am Anfang war der Kot, jene Eigentümlichkeit der körperlichen Verfassung eines revierbildenden Gattungswesens, die dieses in die Lage versetzte, aus der Gesamtwahrnehmung eines Hier und Jetzt die ungemein gefährdenden Momente herauszulösen, den Umstand nämlich, dass in jenem Teil der Welt bereits ein Lebewesen, dessen körperliche Ausstattung der eigenen um keine Klaue und keinen Zahn nachstand, siedelte. So zerfiel die Oberfläche der Welt in Territorien.

Aus dem Kot wurde ein Code, etwas, das nicht nur stinkend oder duftend in Erscheinung tritt – je nach der Perspektive des Betrachters, ob sich die Rede nun um fremde Eigentümlichkeiten oder die Thematisierung des Eigenen in den gemeinschaftsbildenden Aspekten einer selten zum Problem werdenden Geruchsidentität dreht – sondern in seiner konkreten Geformtheit so eindeutig wiedererkennbar ist wie eine Gerade als kürzeste Verbindung zweier Reviere im Flachland. Diese Erscheinung wurde derart bedeutsam für das Zusammenleben der Gattungswesen innerhalb ihres Reviers, dass sie fortan verdoppelt zur Ansprache aller möglichen bzw. als unmöglich hinzustellenden Verhaltensweisen herhalten musste. So entstanden Scheiße und Trüffel, die Welt aber zerfiel in Tag- und Nachtwesen.

Bei Tage besehen war alles ganz hübsch hier im Revier. Die Blumen blühten, ihr Duft wehte zuerst in der zarten Andeutung des Frühlings, später voller Wollust und eigenartig wie Code über die wiegenartigen Behausungen. Bei Nacht aber verwandelte sich der Raum in eine Haut von der Beschaffenheit gespannter Trommelfelle, und der Geruch nahm nun die Form unzähliger Nadelspitzen an, die dann und wann von einem lidlosen Auge überdeckt wurden, in ihrer gleichzeitigen Nähe und Ferne diesem auf eigenartige Weise gleichermaßen gleich und ungleich, so als würde der Geruch pulsieren.

Zhenja
Künstlername des aus Südrußland stammenden Dichters Jewgeni Sacharow; hob unter nickname Zhenja 2007 gemeinsam mit Gesche Blume und Viktor Kalinke den literarischen Blog www.inskriptionen.de aus der Taufe. Das seit 2009 verwendete Pseudonym stand dabei zunächst Pate für eine Reihe von Versuchen, sich zugleich die Bild- und Klangsprache des 1922 verstorbenen futuristischen Dichters Viktor Vladimirovic Chlebnikov und die Ausdrucksmöglichkeiten des Deutschen als literarischer Nichtmuttersprache zu eigen zu machen. Zunehmende Vermischung eigener Sprachschöpfungsprozesse mit dem Ideenfundus des russischen Avantgardisten bis zur „non-rem-fusion“. Sacharow lebt und arbeitet seit 2008 als Garderobier und freischaffender Autor in Frankfurt am Main. Projekt der beiden in Deutschland ansässigen russischen Dichter Jewgeni Sacharow und Sascha Perow, „Brüder im Namen“. Jewgeni beschäftigt sich seit 1990 mit Drama in - wie er es nennt - Außenprojekten, ich dagegen (Perow) versuche mich gelegentlich an Übersetzungen aus dem Russischen; mein Ziel: Erschaffung eines neuen Dialekts der Weltpoesie, der „Sternensprache“. Wichtig war für unser Inskriptionen-Doppelleben die Begegnung mit der deutschen Dichterin Hanna Fleiss im Winter 2012 in Berlin.

3 Kommentare

  1. Wer trägt schon Shalimar.
    Wer im Grün die Düfte aller Jahre
    auf einmal weiß
    in welchem Jahr
    die schweren Rosendüfte, Flieder,
    Nordseearomen
    Schuhsohlen, Hundedreck
    sie mischen mit
    dieser Betörung,
    Shalimar, Shalimar, Shalimar
    und bringt kein Flakon.
    In Wolke 5
    ist Glück blau

    Malennachzahlen

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert