Gestatten – Georg

Ich war damals als Zeitungsjunge unterwegs. Auf die Frage,  ob ich an der Herstellung des zu vertreibenden Produkts mit beteiligt sei, antwortete ich immer mit  ja.  Als Student lag mir einiges am Herzen. Zum einen das Ganze, das als  solches eben kein falsches sein kann, einfach weil ich mir doch sonst die Frage nach den Voraussetzungen, nach dem Grund meines Fragens stellen müsste. Es gibt nicht nur dumme Antworten, oh ja, aber das Fragen – das Fragen sei heilig. Zum anderen das Problem, mich aus meinen Knochen selbst nochmal neu zusammenzubauen. Aus den eigenen. Warum? Na ja. Wohl weil anders nicht zu begreifen ist, wer das denn sein soll, der so fragt. Etwas von solcher Art. Denn ich habe mich immer bemüht, diese Fragen möglichst gleichzeitig zu stellen. Und zu beantworten. Kaum jemand hat das wirklich, ich meine – verstanden. Viele verstanden nur – Aufruhr! Ja, ich war ein Student, unterwegs mit Rucksäcken voller Papier. Die Zeiten waren damals so, und die Bäume, deren Knochen zwischen den Wirbeln meines Rückgrats nach ihrer zukünftigen Form suchten, geistern noch immer durch meine Träume.  Manchmal spüre ich es schwanken. Dann überkommt mich ein seltsames Gespür, wie für Schlittschuhe auf knirschendem Eis. Dann halte ich mir die Hände vors Gesicht, ein gewaltiger Schmerz. Die ungebornen Enkel.

J. W. Rosch
geb. 1967 in Charkiv, lebt in Frankfurt am Main. Gedichte, Prosa, Roman. Bisher bei LLV erschienen: Jokhang-Kreisel. Gedichte und kurze Prosa mit Zeichnungen von Anna H. Frauendorf (2003), Goðan Daginn. Gedichte. Mit Radierungen von Mechthild Mansel (2010).

7 Kommentare

  1. Soeben las ich bei msn die spannende Frage: War Lincoln ein Rassist? Leider weiß ich die Antwort nicht, aber waren nicht die meisten Weltanschauungen des 19. Jahrhunderts Avantgarden des Rassismus? Bitte mich zu widerlegen.

  2. War Walt Whitman ein Dichter? „41//Ich bin es, der den Kranken Hilfe bringt, die,/auf dem Rücken liegend, nach Atem ringen,/und den starken, aufrechten Männern bringe ich Hilfe,/die es noch nötiger haben.“ (dt.v.E.Arendt) War Joshua v. Naz. ein Macho, weil er seine Väter zwar kritisierte, aber letzlich bei der Behauptung stehen blieb, keines ihrer Worte sei falsch? Zugespitzt: War der Kaiser von China ein Asiate, war der Opiumkrieg ein Krieg um Opium, werden Männer jemals gebärfähig?? Im Namen der Möglichkeit von Widerlegung bitte ich um eine These.

  3. Gebärfähigkeit ist eine Fähigkeit, und Fähigkeiten sind unabhängig von Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit oder sonstwelchen Kategorien. Insofern: Freiheit für den Mann, lasst ihn endlich schwanger gehen, womit auch immer.

  4. Domenica ist tot und Löw verärgert, und morgen ist Freitag der 13. , hoch lebe die unbefleckte Empfängnis und nieder mit den Ausbeutern, und überhaupt, diese ganzen Rassisten, diese spinnerten Bartträger, Jesus und Whitman, Dostojewski und Lincoln, her mit einem 44er Derringer…

  5. was in dem text übrigens noch fehlt: die reise gemeinsam mit alex & all den ansichten vom niederrhein, von brabant, flandern, holland, england und frankfurt … obwohl ich wegen unvorhergesehner umstände anderswo unter die erde kam und nun leider nicht an den heimatlichen wurzeln knabbern kann: mainz bleibt mainz!

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