Verlorene Freunde – Odyssee des weißen Schiffs

Wie ein tollwütiges, kratzendes Geräusch stellt sich mir die Lebenslage mancher Menschen, die ich kenne, dar. Nicht unbedingt als ein Geräusch, das per se ein unangenehmes Gefühl hervorrufen möchte, doch als eines, deren Urheber sich nicht anders zu helfen wissen, als durch disharmonisches Auftreten Aufmerksamkeit zu erregen.

Da jaulen, krächzen Seelen, gezeichnet von Einsamkeit, Sucht, verinnerlichten Erwartungshaltungen der oft besserwisserischen ‚Erfolgreicheren‘ um sie herum und wer wäre ich, ihr Unglück reglos abzutun? Das Dilemma ist nur, wie jenem schalen Beigeschmack beizukommen ist, der sich offenbart, da bewußt wird, nicht wirklich helfen zu können, liegt eine Lösung doch allein in ihrer eigenen Hand — aber sei dies der Wahrheit letzter Schluss? Ich zögere.

Wie Sirenen sitzen sie auf den Felsen der Kliffe ihrer Probleme, rufen, wie sie wähnen, erlösende Schiffe herbei, die doch alle niemals anzulanden bestimmt sind, sondern lediglich dazu, desgleichen zu zerschellen und deren wenige Überlebende ebenso an den Gefilden der Verdammten stranden.
Sie haben Angst davonzuschwimmen, die starke, unterirdische Strömung zu überwinden, im Sog der Haltlosigkeit zu ertrinken und so verhungern sie langsam aber sicher, leiden an emotionalem Skorbut, einzig genährt von angespültem Mitleids-Aas ohne Zukunfts-Vitamine, kämpfen mit halbtoten Neuankömmlingen um die besten Plätze auf der Promenade der Verzweiflung – wissen nicht vor und nicht zurück.

Vielleicht irre ich nicht in meinem Zögern, vielleicht können wir tatsächlich trotz allem etwas tun: wir, die (ohr)gestopften Seefahrer sollten ihnen Sirenen werden, sollten ihnen zusingen, leuchten, damit sie ihre Angst überwinden, sich in die Brandung  zu stürzen, auf dass wir sie schließlich an Bord hieven können. Dennoch: das Fenster für die Rettung ist klein, verlieren sie doch nach und nach Zähne, Ohren, Augen und fallen, wagen sie nicht rechtzeitig von selbst zu springen, eines nicht allzu fernen Tages in den Malstrom, der unter ihnen tost, können unsere Rufe nicht mehr hören, das rettende Seil nicht mehr erspähen;
ihr Platz auf den Klippen der Ungewissheit bleibt niemals lange frei.

Faron Bebt
schreibt Geschichten mit bunten Botschaften und einem hartem Kern. Immer etwas dogmatisch, aus der Zeit gefallen, verstörend verträumt - wie letzte, angemalte Großstadtbunker --Farbbeton.

Ein Kommentar

  1. Trotz alledem!
    noch immer eine programm
    _______________-…… Text

    Empfehlung zur komplettierenden L:

    [Wenedikt Jerofejew als das Pentant=Gegenstück zu Schiwago9

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert