Himmelsblau

Am Tag des letzten Goldes überm Acker, der alljährlich die Halme auf ihren Weg in den oberen Raum aus Luft & Geduld zu bringen trachtet, purzelte ein winziges Wesen hinab zur staubigen Erde. Es war in einen Mantel aus Wasser gehüllt und trug in seiner Erinnerungstasche aus verflossener Zeit einen fast hohlen Gedanken mit sich herum – die Frage nach dem Inhalt eines Lebens mit Anfang & Ende. Zwischen beiden Polen des kosmischen Kraftfeldes spannt sich das Gedächtnissegel, worin die ausgleichenden Winde dieser Welt gefangen werden. Das Wesen hatte noch keine Geschichte in sich, da hatte es bereits eine Farbe: jenes Blinzeln der Nerven, welches Luft aufhebt; Luft, fft, die Farbe des ewig steigenden Nichts, die tiefer in die Dynamik der Welt hineinreicht als das göttliche Weiß, in dessen Erscheinung die Fülle des lichtbesiedelten Alls noch die Konkretheit aller Einzelfarben im Spektrum des Seienden übersteigt. Doch Luft, luuf, dieses Steigen & Fallen vor dem Hintergrund eines Auges mit Erinnerung, dessen Keime die blühenden Wesen in sich bergen wie das Wort den Gedanken, ist nicht die Erde, worin das Verschiedene seinen Körper auflöst, um ein Neues zu empfangen. Überm Acker bläht sich ein Segel, das mit dem Wind ein winziges Wesen verbirgt, dessen beginnende Geschichte von jener Farbe ist, für die das menschliche Griechenland noch nicht einmal einen Namen zu verschenken hatte.

J. W. Rosch
geb. 1967 in Charkiv, lebt in Frankfurt am Main. Gedichte, Prosa, Roman. Bisher bei LLV erschienen: Jokhang-Kreisel. Gedichte und kurze Prosa mit Zeichnungen von Anna H. Frauendorf (2003), Goðan Daginn. Gedichte. Mit Radierungen von Mechthild Mansel (2010).

3 Kommentare

  1. ft-pp, du spinnst doch! Lehe, dein ff ist mir lieber als the-le (styk klingt auf s-klavisch wie das geräusch der Finger beim harten Zusammenprall mit den – weißen – Tasten eines Klaviers…

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