Gesang im Nichts

hörst du das Nichts?

siehst du das Nichts?

augen tot

ohren tot

mund kann reden, singen, lachen

ohren hören

mich und schwarz

augen sehen

mich in schwarz

nichts ist schwarz

ich

bin

nichts

ich bin schwarz

schwarz ist dunkel

schwarz ist stark

ich bin stark

hör, mein ohr!

sieh, mein auge!

sing, mein mund!

Ich. Bin. Stark.

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Erörterungen:

Dieses Gedicht ist inspiriert von Dunkelhaften im Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau. Über 2.500 junge Menschen wurden durchschnittlich pro Jahr willkürlich weggesperrt. In 30 verschiedenen Jugendwerkhöfen. Torgau war einer von ihnen.

Ein Ort der vielfachen Demütigungen, Strafen und Isolationshaften.

Ein Ort in der DDR.

Kreon
geboren 1968 im deutschen Mittelgebirge Berufsausbildung Zirkel Schreibende Arbeiter lange arbeitslos Rentner (Frührentner) Familie, Kinder, Enkelkinder

18 Kommentare

  1. Kreon, aus eigener Anschauung weiß ich es nicht, wer in Torgau im Jugendwerkhof war, aber vertrauenswürdige Leute sprachen vor allem von kriminell gestrauchelten Jugendlichen, darunter auch jugendlichen Mördern. Also es war schon ein Nachwuchs für eine kriminelle Szene, der in Torgau war. Von willkürlich Wegsperren konnte da keine Rede sein. Davor wollte sich die DDR schützen, ist doch verständlich, das macht jeder verantwortungsbewusste Staat, mal mit Gefängnis, mal mit anderen Institutionen, von Ferienheimen konnte man da tatsächlich nicht sprechen, aber es handelte sich bei diesen Jugendlichen um solche, die schon tief in der kriminellen Szene waren. Das waren schon schlimme Brüder. Das wird heute vergessen, aus politischen Gründen, denn mit Torgau u. ä. hatte man endlich einen benennbaren Ort für den „Unterechtsstaat DDR“, den man vorweisen konnte. Wem willst du mit deinem Gedicht zum Munde reden?
    Meinst du, gutes Zureden hätte mehr geholfen?

    Aber zu deinem Gedicht.

  2. Antigone, Ihr dummes, verblendetes Geschwafel enttäuscht mich! In meinen Augen sind Sie nicht besser als all‘ die Nazis, die damals und heute immer noch an eine menschenverachtende Ideologie glauben. Aus Dummheit, aus Nichtwissen, aus bequemer Überzeugung.
    Bei dem Gedicht handelt es sich um ein leicht abgewandelte Gedicht meines Cousins, der mit 14 Jahren plötzlich mitten aus dem Schuleunterricht abgeholt und nach etlichen
    Durchgangsheimen schließlich in Torgau landete. Er war kein Mörder, hat nicht geklaut. Er hat dreimal die Schule geschwänzt, nicht nur heimlich geraucht und sich standhaft geweigert, in die Pionierorganisation, FDJ und zum GST-Unterricht zu gehen. Das reichte in den Augen der Bekloppten da oben aus. Seine Eltern haben 14 Tage nicht gewusst, wo ihr Sohn war. Und nun kommen Sie mit so einem dämlichen Nachgebläke an!!!
    Überlegen Sie doch mal, warum es einen Fond der Bundesregierung für in der DDR an Seele und Körper geschädigte Heimkinder gibt. Eingerichtet von sozialdemokratischen Politikern, die mittlerweile klar sehen.
    Keinem will ich und muss ich zureden! Den Opfern eine Stimme geben, das ist mein Anliegen. Halten Sie sich weiter bei Ihren Opfern des Faschismus auf (die auch zu beklagen sind). Und beklagen Sie die heutige kalte Gesellschaft. Das ist für Sie sicher einfacher, als zu erfahren, wie dumm, dreist und menschenverachtend die Politik der DDR war, in der wir beide, Sie und ich, aufgewachsen sind. Heute die Klappe aufreißen und damals einen der drei Affen spielen, nicht wahr, Antigone? Horch und Guck läßt grüßen. Pfui!
    Kreon.

  3. Ärgere dich nicht Kreon! Sieh es Positiv: Du hast Antigone demaskiert. Ihr die Larve vom Gesicht gerissen. Sie, die hier so gönnerhaft mit Weisheiten um sich schmeißt, sich edel als Antigone bezeichnet. Was schaut drunter vor? Eine unbelehrbare, eiskalte Fratze.
    Und es dein beziehungsweise das Gedicht deines Cousins angeht: Ich habe die Chance genutzt und mir Hoheneck und auch Torgau angeschaut. Es ist entsetzlich, was da unter dem Deckmantel einer sozialistischen Umerziehung geschehen ist. Jeder kritisch denkende Mensch kann sich über die jüngste Geschichte Deutschlands informieren. Er sollte es auch tun! Und zum Glück gibt es heute mutige Heimerzieher, die sich für ihre Taten schämen und öffentlich Zeugnis reden. Das kann auch eine verblendete Antigone und ihre ach so integeren Genossen nicht wegfegen.
    Dein Cousin war 14, sagtest du, als er das Lied/ Gedicht unter den grausamen Hafteindrücken schrieb. Das ist sehr beachtlich. Es ist in der Tat ein Gesang und ich kann es nachvollziehen, wie man es angesichts der schwarzen Kälte leise summt. Sich Mut zu singt. Und, lieber Kreon, es ist völlig indiskutabel und deplatziert, hier den Inhalt oder den Sinn in Frage zu stellen. Dieses Gedicht gilt für alle, die unmenschliches Leid erfahren (haben).
    Danke für den kritischen Beitrag!

  4. Lieber Kreon, Danke für dieses Gedicht. Ein schmerzendes Zeugnis und bewegendes Fanal für die Kraft von Gesang und Dichtung! Jedem sollte es eine Mahnung gegen Unterdrückung, Ideologie und Kaltherzigkeit sein. Wie geht es Deinem Cousin heute? Ich finde, das Gedicht müsste Teil der Ausstellung im ehemaligen Torgauer Jugendwerkhof sein. Du solltest unbedingt Kontakt zum Team der Gedenkstätte aufnehmen!

  5. Lieber Jens Rudolph, ich danke dir für deine Position, die mir zeigt, dass man als Literat, die wir hier ja alle sind (ja, auch wenn einzelne meinen, sie sind bessere Literaten, weil sie das Handwerk beherrschen und andere deswegen gern belächeln), durchaus auch eine politische Meinung haben kann. Ich habe das Gedicht erst vor kurzem von meinem nun schon Mitte 50-jährigem Cousin erhalten. Er ist ein zerbrochener Mann und gerade dabei, seine Jugend in kraftvollen Bildern und ebensolchen Holzarbeiten aufzuarbeiten. Das Gedicht fiel ihm beim durchblättern seiner Akte in die Hände. Er konnte es nicht ertragen, dass es in seinem Haus war, daher gab er es mir zur Verwendung. Für Torgau gibt es einen regen Internetblog, den er allerdings noch nicht nutzen kann. Wie gesagt, er ist mittendrin im Aufarbeitungsprozess. Ich werde ihm von deinen ermutigenden Worten berichten. Die verbale Ohrfeige der Dame Antigone aber werde ich in den Mülleimer legen. Allerdings nicht hier in den Blog-Mülleimer. Schließlich soll man sehen können, wes Geistes Kind die Dame ist. Jede blamiert sich eben so gut, wie sie kann… und sie sicherlich mit ihrem erlernten Schreiberhandwerk am besten!
    Nochmals danke für dein Bekenntnis, das mir gut tut.
    Es grüßt
    Kreon.

  6. Ein paar Nachsätze, Kreon: Ich nehme dir die Legende, dass ein anderer dieses Gedicht geschrieben hat, der unter Umständen, die, wie du schreibst, so unwahrscheinlich sind, dass es jedem, der bis drei zählen kann, auffallen müsste, einfach nicht ab.
    Und noch etwas: Niemand wurde unschuldig nach Torgau gebracht. Die Westdeutschen hier, die nehmen dir deine Lügengeschichte unbesehen ab, weil sie bestätigt, was ihnen seit Jahren die Medien einhämmern,um abzulenken von den Zuständen in den Heimen und kirchlichen Schulen der BRD, ich verweise nur auf die pädophilen Geschichten, die himmelschreiend sind, genauso wie die Reaktionen der Kirche und der bundesdeutschen Jugendhilfe. Das war der BRD peinlich, dass es rauskam, also musste man auf den Feind weisen, der sich nicht mehr wehren kann – da war es angeblich noch schlimmer! Ich habe es oben geschrieben: Das waren keine unbeschriebenen Blätter, das waren schwere Jungs schon, am Anfang einer kriminellen Laufbahn. Diese weitere Entwicklung zu verhindern, das war die Bemühung des Staates. Nein, ich bin mit Dunkelhaft auch nicht einverstanden, das ist brutal und hat nichts mit Pädagogik zu tun. Die Frage ist aber nur, ob Pädagogik allein bei diesen Insassen ausgereicht hätte. Ich kann das nicht einschätzen. Aber dass du mit diesem Schmutz hier auf die Tränendrüsen drücken willst, das zu erkennen, dürfte jedem, der nach Wahrheit sucht, leicht erkennbar sein.

  7. Ich auch ostdeutsch, Antigone.
    Und die Geschichte nehme ich nicht nur ab, sondern bestätige sie.
    Ich schlage Ihnen vor, ein Podium unter Ihresgleichen auszusuchen, um dort Ihren propagandischter Mist loszuweden. Es gibt doch sicher so ein Bund Alt-DDRLer. Singen sie noch die alten Lieder? “ Im Oktober brach der rote Sturmwind auf und fegte den Himmel uns blank. Der Sozialismus, der nahm seinen Siegeslauf. Genossen, wir sagen euch Dank. Die Heimat liegt im hellen Sonnenschein und will von uns erobert sein! Wir tragen den Sturmwind der Revolution in unsere Herzen hinein… „

  8. Ja, das mag sein. Aber letztlich erschüttert es mich doch zu sehen, dass ich hier im Drei-Affen-Zoo gelandet bin. Pssst. Es drängt mich zu sagen: Habt ihr keinen Arsch in der Hose? Steht auf, Mensch! Oder sagt frei heraus: Was kümmerst mich? Ich kann doch sowieso nichts machen.

  9. ich wollte damit nur sagen, dass nebenbei such dem verleger in die hände gespielt wird, den das ganze wenig zu kümmern scheint. es sind hier einige leute aus dem osten im blog. warum haben die keine position – als text oder gedicht, welcher couleur auch immer?

  10. wahrscheinlich gibt (nicht nur) es im osten deutschlands viele menschen, die die heutige bundesrepublik und ihre verfassung ablehnen – und das ist mit sicherheit auch biografisch begründet. doch damit lassen sie die möglichkeiten der demokratie ungenutzt verstreichen, während sie sich an mustern, auch sprachlicher natur, orientieren, die nicht demokratisch sind. das ist das, was mich bspw. am diskurs von „antigone“ ernsthaft stört.

  11. publizieren ist notwendig. das wissen wir. und der verleger macht ein gutes handwerk. auch das ist bekannt. und wir sind die autor_innen, die schreibenden. diese verdienen respekt. mir ist klar, dass wir hier auf einer seite publizieren (dürfen), die uns freiheiten garantiert. wird einmal ein buch daraus, dann wird jedoch eine (aus)wahl getroffen. wie können wir dann demokratisch bleiben? welche maßgaben bedienen wir? sprachliche qualität der texte? themen und ihre relevanz? wie meistern wir den spagat zwischen chaos und zensur, der mehr als breit ist? brauchen wir ein neues auswahlverfahren? oder eine vielstimmige jury?

  12. Klasse! Das sind Fragen, die Sie bitte mal als Beitrag reinstellen sollten. Für alle lesbar! Ich füge hinzu: Wie weit darf Demokratie gehen? Und darf Demokratie alles?

    Was dem Verleger angeht, der uns hier diese Seiten öffnet: Wir sind sein Kindergarten, und wenn es ihm zu bunt wird, greift er schon ein. Solang, wie er noch in der Ecke hockt, kloppen wir uns weiter! Achtung! Mein braunes Klötzchen kommt gleich geflogen…

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