Das Testament der Gräfin Ulrike – Kapitel 3

Kapitel 3

Schloss Rheinstein lag nahe einer mittelgroßen Stadt im Bergischen, malerisch eingebettet in die leicht hüglige Gegend. Es war ein vielhundertjähriger, ehemals strahlendweißer Bau, ein Wasserschloss. Das Wasser im Graben war mit den Zeiten schwarz geworden und bedeckt mit Entengrütze. Der Sommer war warm dieses Jahr, und Insekten und Schmetterlinge tanzten über dem Wasser.

Baronin von Lichterfeld, als sie mit ihrem roten Cabrio vorfuhr, schüttelte den Kopf. Hatte ihre Freundin Ulrike es nötig, in diesem altertümlichen Bau auszuharren? Der Modergeruch des Grabenwassers stieg ihr unangenehm in die Nase.

Köchin Marietta öffnete auf ihr energisches Betätigen des Türklopfers. Die Baronin stapfte die majestätisch breite Freitreppe hinauf.

„Anklopfen hat die feine Dame auch nicht gelernt“, murmelte Marietta verdrossen, als die Baronin die hohe Doppeltür zum Salon der Gräfin Ulrike aufriss, ohne angeklopft zu haben.

„Ulrike, Liebste!“ Die Baronin und Gräfin Ulrike lagen sich in den Armen.

Marietta brachte Tee. „Wir gießen uns selbst ein, Marietta. Dank dir“, sagte Gräfin Ulrike.

Die Baronin nippte am Tee. „Eine schnippische Person.“ Sie blicke Marietta nach, bis die Tür geschlossen war. „Dein Personal, Ulrike! – Ich mach mir ja nichts aus Tee, ich bin nur gekommen, weil ich wissen will, wie es mit deinem Testament weitergeht. Du hattest etwas angedeutet – stimmt das? Du willst dein gesamtes Vermögen dem Kunstverein vermachen?“

Gräfin Ulrike seufzte. „Was soll ich tun? Einen leiblichen Erben habe ich jetzt nicht mehr. Und von der Verwandtschaft lebt, soviel ich weiß, niemand mehr. Die Rheinsteins sind ein ausgestorbenes Geschlecht.“

„Ja, Liebste, es ist grauenvoll. Das einzige Kind auf so tragische Weise zu verlieren.
Ich möchte nicht tauschen mit dir. Aber tröste dich, Ulrike, ich habe drei Söhne, doch wenn es nach mir ginge, würde ich sie auf der Stelle enterben.“

„Ach ja? Und weshalb?“

Die Baronin winkte ab. „Schweigen wir lieber davon. Du hast dich also entschlossen, Ulrike?“

„Ja, soweit ich die Bürokratie verstehe. Ich muss nur noch die Formalitäten erledigen. Wenn ich doch nur laufen könnte! Dieses schreckliche Rheuma! Und im Kreuz zwickt es auch. Sieh mal, wie meine Hände zittern.“

„Ich habe dir schon immer gesagt, dass du in die Stadt ziehen sollst. Diese alten Schlösser sind romantisch und malerisch, aber selbstmörderisch, liebste Ulrike. Nichts als Rheuma holt man sich hier in diesen vermoosten Schlössern. Ein schrecklicher Kasten, Ulrike.“

„Mir gefällt es hier“, sagte die Gräfin etwas pikiert. „Was brauche ich denn? Nur jemanden, der für mich ein paar Gänge erledigt. Und ja, der Park. Der könnte auch ein bisschen Pflege vertragen. Du weißt, der alte Krummbiegel ist vor einem halben Jahr gestorben. Seitdem wurde im Park nichts mehr getan. Kennst du jemanden, der das für mich übernehmen könnte?“

Baronin von Lichterfeld überlegte. „Auf die Schnelle nicht. Aber ich höre mich mal um. Ich denke, du brauchst einen jungen Mann, der nicht auf den Kopf gefallen ist und etwas von Gärtnerei versteht. Im Moment fällt mir niemand ein, aber du hörst von mir. Aber nun, Ulrike, lass uns zu Erfreulicherem kommen …“

Die beiden Damen saßen zusammen, bis der Schein des Vollmondes durch die Butzenscheiben des Salons fiel und ein unwirkliches Licht verbreitete. Die Bäume im Park warfen lange Schatten.

Gräfin Ulrike winkte ihrer Freundin vom Fenster aus nach, als die das Cabrio startete. Sie atmete auf. Die Freundin war eine liebe Frau, aber manchmal hatte sie einfach ein viel zu großes Mitteilungsbedürfnis.

Angelika
Bin 75, Rentnerin, alleinstehend. Denke mir Geschichten aus, um die Leute zu erfreuen.

4 Kommentare

  1. Nach drei Texten ist die Frage, wohin die Reise denn noch gehen wird, hinreichend klar gestellt, und im Sinne einer Erwartung: beantwortet. Jetzt noch etwas Neues zu bieten, ist wohl – so gut wie – ausgeschlossen.
    Formal handelt es sich um die übliche psychologisierende Maschine, allerdings in respektvoller, deutlicher Entfernung zum TV-Serienformat.
    Damit dieses realisierbar bliebe, müsste nun die Köchin konturiert werden

  2. Das ist nett, dass du meine Geschichte weiterschreiben willst. Du wirst aber vielleicht schon ahnen, dass der Protagonist der Tobias ist und nicht die Köchin, die zur Nebenpersonage gehört?

  3. um diesen text weiter zu konturieren, nutze man am besten die falschen kontaktlinsen. mit ner vergessenen brille, geht es aber zur not auch.

  4. Das war doch alles bloß Verarsche! Das war alles ein und derselbe Avatar. Antigone, Angelika, alles bloß Verarsche. Das war der Admin, der uns da hoch leben ließ. Die gab es in Wirklichkeit gar nicht.

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert