Das Testament der Gräfin Ulrike – Kapitel 5

Das Zimmer ging auf den Park hinaus. Die Zweige einer riesigen Buche reichten bis an das Fenster heran. Joshua Wegner hatte beide Flügel weit geöffnet und blickte in die Weite des Parks. Rechter Hand lag ein Wirtschaftsgebäude, das einer Scheune glich, mit einer riesigen Toreinfahrt. Vor ihm lag eine Wiese, die anscheinend lange nicht gemäht worden war. Die Baumgruppe zur Linken sah auf en ersten Blick gesund aus. Eichen, eine überwältigende Muttereiche, ein paar jüngere Bäume standen in weitem Abstand von ihr. Ein ausladender Solitär überschattete die Mitte der Wiese.

Das Zimmer war bescheiden eingerichtet: das Bett, ein dunkler Bauernschrank, ein quadratischer Tisch, zwei Stühle, ein leeres Bücherregal neben er Tür. Joshua musterte sein neues Domizil. Gut, dass es auch ein Telefon gab.

Er räumte ein paar Kleidungsstücke in den Schrank. Wie schnell sich doch seine Lage verändert hatte! Seit dem Gespräch mit der Gräfin kam er aus dem Staunen nicht heraus.
Gestern noch hatte er auf der Couch eines Freundes geschlafen, ohne Aussicht auf einen Verdienst, ohne Ziel, ohne Hoffnung. Und die Glücksfee hieß Baronin Lichterfeld. Er hatte sie zufällig bei Aushilfsarbeiten im Garten ihrer Villa getroffen. Sie hatte sich auffällig für den gutaussehenden jungen Mann interessiert. Und so erfuhr sie von seinem Dilemma: keine eigene Wohnung, keine StellungSie hatte trotz ihres Alters ein bisschen mit ihm geflirtet, und Joshua hatte mitgespielt. Und nun saß er hier in diesem Zimmer – in einem richtigen Schloss! – und wusste noch immer nicht, wie ihm geschehen war.

Es klopfte an der Tür. Er öffnete. Marietta stand schweratmend im Flur. „Sie sollen gleich mal zur Gräfin kommen, hat sie gesagt.“

Joshua warf einen schnellen Blick in den Spiegel: Alles in Ordnung. So konnte er sich vor der Gräfin sehen lassen. Er rückte die Krawatte zurecht, die er sich ausnahmsweise mal umgebunden hatte

***

Marietta hantierte am Herd. Ihr Sohn Jochen lümmelte am Küchentisch.

„So, sie hat ihn also als Gärtner eingestellt“, sagte er. „Warum hat sie mich nicht gefragt? Den Gärtner hätte ich ihr genausogut abgeben können. Eher, als dieser studierte Laffe!“

„Sie hat dich aber nicht gefragt. Und du weißt, warum.“ Resolut stellte Marietta einen dampfenden Topf auf den Tisch.

„Weil du mich bei ihr schlechtgemacht hast! Die eigene Mutter!“

„Gar nichts habe ich gemacht. Du selbst hast dich bei ihr schlechtgemacht. Meinst du, sie hat nicht bemerkt, wie oft du sternhagelvoll warst? Und wie oft du einfach nicht gekommen bist? Als du den Rasen mähen solltest, tat dir der Rücken weh, und seitdem wächst und wächst das Unkraut. Sieh ihn dir an, es ist eine Schande. Noch nicht mal die Probezeit hast du überstanden. Der Neue, der Joshua, tut mir jetzt schon leid. Die Gräfin hat es gut mit dir gemeint, weil du mein Sohn bist. Aber irgendwann ist jeder mit seiner Geduld am Ende, das musst du einsehen.“

„Joshua heißt er also, der Kerl.“ Jochen pfiff durch die Zähne. „Dass diese studierten Heinis immer so blödsinnige Namen haben. Als ob sie was Besonderes wären.“

„Für seinen Namen kann er nichts. Er ist ein anständiger junger Mann – jedenfalls anständiger als du! Und außerdem ist es ein Name aus der Bibel. Und nun lass mich allein, ich habe zu tun, du Nichtsnutz!“

Maulend erhob sich der so Angeredete, schlurfte zur Tür und schlug sie hinter sich mit einem Knall zu.

Angelika
Bin 75, Rentnerin, alleinstehend. Denke mir Geschichten aus, um die Leute zu erfreuen.

31 Kommentare

  1. der text hat sogar feministisches potenzial: die verkehrung der traditionellen rollenbilder in ihr gegenteil in einem nur scheinbar konventionellen textrahmen (heftroman?)produziert einen neuen kontext, in dem es sich zu bewegen lohnt. einzige schwachstelle: „trotz ihres alters“. das passt an dieser stelle nicht hinein, da es nach altbackener, männlicher stimme riecht (nicht nach der des jungen protagonisten, sondern auktorial) und hier daher affirmativ wirkt – ein backlash, den man sich an dieser stelle verkneifen sollte, da er an anderer stelle durchaus entlarvend wirken könnte.

  2. Hallo Mut zur Konvention, ich musste erst mal sehen, was du meinst, hab es gefunden. Warum aber soll der junge Joshua die Matrone, die mit ihm flirtete, nicht zu alt für sich finden? Aber danke für den Hinweis, ich nehme diese Passage raus. Schönes neues Jahr wünsche ich dir.

  3. Wieso kommentiert hier nicht unsere Oberlehrerin Antigone? Beherrscht sie nicht das Doppelspiel?
    Fragen, Fragen. Auf die wir nun aber eine Antwort erhalten. Ich tippe auf die frühen Morgenstunden. Dann gibt es aber Feuer!

  4. Ich weiß nicht, was für Auseinandersetzungen es hier gibt. Aber ich bitte darum, mich damit nicht zu belästigen. Mein Name ist Angelika, und so bitte ich auch angeredet zu werden.

  5. Hä? Wieso fühlst du dich angesprochen? Und wieso belästigt? Ball flach halten, liebes Mädel. Ich meinte und schrieb doch allgemein der Antigone. Die fühlte sich im übrigen auch immer belästigt und verbat sich das vehement. Da könnt ihr zwei euch doch glatt die Hand reichen. Nun, der Freud (der Sigmund) purzelt halt doch der einen oder anderen über die Zunge.,,

  6. Wenn Antigone sich über Belästigung von dir beschwert hatte, dann hatte sie wohl allen Grund dafür? Aber was hat das Thema Antigone mit meinem Text zu tun?
    Ich jedenfalls möchte in eure Auseinandersetzungen nicht hineingezogen werden.

  7. Mein Gott, es geht nicht um dich und deinem Text. Es wurde lediglich bemerkt, warum die Obertante sich hierzu noch nicht gemeldet hat. Hast du’s jetzt, Mimöschen?

  8. Angelika hat doch völlig recht, wenn sie mit euren unverschemten Kommentaren nichts zu tun haben will. Entladet euch doch in einer gesonderten Datei.
    Und wie infantil euer Blockwartgehabe ist, das will hier den großen Macker markieren, taucht unter etlichen Nicks hier auf. Euch gehört allen was in die Drecksfresse.

  9. Schäm dich, Drehorgelheini! Du musst hier wieder mal ausfallend werden. Drecksfresse…was ist das denn für ein Vokabular? Die kleinen Sticheleien sind hier doch noch ganz harmlos, bis einer wie du kommt, und die dezent verpackten Spöttereien auseinanderpflückt. Ein Elefant ist nichts dagegen.
    Der Götterfunke.

  10. Eigentlich wollte ich mich nicht äußern, aber meine lieben „Mitliteraten“ warten nur darauf. Vorweg will ich klar stellen, dass ich das nicht euch zuliebe mache. mir geht es um Angelika, eine mutige Frau, die mit leichter Literatur hier verstört. Warum nicht? Phantasie hast du, das Handwerk beherrscht du, liebe Angelika, ganz gut. Da kann was brauchbares dabei rauskommen. Sicher hast du schon anderweitig Schreib-Erfahrungen gesammelt und dir sagen lassen, dass dabei was brauchbares bei rauskommt. Nach dem ganzen Mist hier, der ungefiltert gepostet wird, ist das eine Wohltat, auch wenn Trivialliteratur nicht so mein Fall ist.
    Sei also herzlich willkommen auf diesen Seiten und lass‘ dich von den anderen nicht unterkriegen oder stören. Das sind unangenehme Zeitgenossen, die irritiert sind von Menschen wie ich und sicher auch du, die eine feste Ansicht haben, sich kritisch mit den desaströsen politischen und angeblich demokratischen Strömungen von heute auseinandersetzen und den Literaturblog hier auch ernst nehmen. Weiter so, Angelika!

  11. Und du, Elysium, lass mal die Luft raus. Das steht dir Hohlbirne besser! Das hat Drehorgelgustav ganz gut erkannt. Deine Blockwartmentalität ist zum Kotzen.

  12. Liebe Antigone. Ich danke fürs Reinlesen, für den wohlwollenden Kommentar und für den Tipp. Ich hatte schon selbst gemerkt, dass hier komische Vögel unterwegs sind. Das ist auch ein Stück weit bedauerlich, schließlich haben wir die schöne Gelegenheit, unsere Texte, die ein Stück weit auch unsere Träume sind, hier zu veröffentlichen. Ich denke, dass wenigstens du und ich die Fahne der Literatur hoch halten sollten.
    Mit besten Grüßen, Angelika

  13. Hier schreiben sich Kommentare selbstständig, ohne mein Wissen, aber mit meinem Absender. Zauberhaft! Angelika, ich habe Kommentar Nr. 12 nicht geschrieben, da hat jemand meinen Namen benutzt, einer, der hier u. a. mit dem Nick Elysium schreibt.

  14. Willkommen in der comic welt: joe hatte schon seit mehreren monaten
    Die nase voll:
    aber
    Mehr noch als Rotz
    Störte ihn hier, wo das
    Ich dem Du noch cap
    ITAL
    Gegenüber liegt, ich korrigiere: gegenüber
    liegt, die perma
    kultu rente
    /n
    Vermischung von dort & hier – –

    Schiss: bin mal fort
    /d

    „Ihr seht mich früh’stens 3. Jan wieder!“

  15. Liebe Antigone,
    wenn du deinen Kommentar für alle – also auch für die Unkundigen – sichtbar machen möchtest, dann darfst du nicht auf eine Mailadresse verweisen. Ich nehme an, dass dir das jetzt nicht passt. Aber so ist die Technik.
    Im übrigen musst du bei mir noch mehr Avatare hinzufügen. Ich bin viele!
    Mit besten Grüßen aus dem Spiegelkabinett…

  16. Da bin ich sicher, Kreon oder wie du Hirnkeks dich nennst. Ich werde alle deine Mailadressen sammeln. Und sie dann der trauten Kommentatorgemeinde zur Ansicht unterbreiten. Dann relativiert sich hier einiges, meinst du nicht?

  17. Zone 1: Die Schlangenzunge. Sie ist meist auffällig rot eingefärbt und auf ihrer Rückseite mit zahlreichen Nektarien versehen, beides dient zur Anlockung der Beute. Eine gerichtete Behaarung der Oberfläche macht es dem Insekt dabei leichter, zur Schlauchöffnung hin voranzugehen, als sich von dieser abzuwenden.

    Zone 2: Die Öffnung. Sie wird von einem Peristom gebildet, das besonders große Mengen Nektar ausscheidet und so die Beute vom Anhängsel in den eigentlichen Schlauch lockt.

    Zone 3: Die Haube. Sie überdacht den Schlauch und die hervorkragende Öffnung, wodurch sie ein Entweichen der Beute nach oben verhindert. An ihrem höchsten Punkt ist sie gehäuft mit chlorophyllfreien Flecken versehen, die nahezu ungehindert das Außenlicht passieren lassen und so wie Fenster wirken. Gefangene Beutetiere versuchen nun, durch diese „Fenster“ die Falle zu verlassen, bei diesen „Fluchtversuchen“ stürzen sie nun in den aufrechten Schlauch.

    Zone 4: Oberer Schlauchbereich. Dieser sich direkt unterhalb der Haube befindende Abschnitt des Schlauches ist mit einer Wachsschicht und nach unten gerichteten Haaren versehen. Beides zwingt die Beute weiter abwärts.

    Zone 5: Mittlerer Schlauchbereich. Hier befinden sich die abwärts gerichteten Haare in besonderer Dichte, Wachsflecken finden sich kaum noch.

    Zone 6: Unterer Schlauchbereich. Diese Zone ist rein glatt und mit keinerlei Fangeinrichtung mehr ausgestattet, sie dient allein der Verdauung. In ihr befindet sich die Flüssigkeit der Pflanze, die für die Verdauung sorgt, diese wird von der Pflanze regelrecht in die Schläuche hineingepumpt, verstärkt nach einem Beutefang.

  18. Ich wollte eigentlich mal wissen, was die Angelika so macht und warum sie ihren GräfInnenroman nicht beendet hat. Wurde ihr das Thema zu feministisch? Ging ihr der Stoff aus? Oder ist sie beim Schreiben eingeschlafen? Angelika, melde dich doch mal.

  19. Tja, die widmen ihre Energie anderen Dingen, die es wert sind. Sich selbst beispielsweise. Das kostet ein wenig Selbstüberwindung. Aber es klärt im Kopf auf und einiges ab.

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert