Eigenfrequenz 155-Hämo-Post-Globyl&Trans-Mitternacht

EZRA POUND

aus Canto XCIX

Und wenn dein Kind nichts wissen will, hast du’s versaut.

Frag‘ es. Bejammere die Kindheit nicht, und lüge nicht.

Erkläre bündig, antworte; im Gespräch

nicht mit weichlicher Geschäftigkeit (chiao)

nimm immer deinen eignen Weg.

Laß‘ es fragen vor seinem Tun;

Daß da keine nachlässige Pfütze sei

zwischen dem guten Menschen & seiner Frau.

R. ist r. . Klein ist klein;

Unter Freunden ist eins eins

zwei ist zwei

Nicht zu lügen aus Unbekümmertheit oder

allein zu lassen im Trug

Füttere den Klang seiner Stimme mit Worten

die wie Wasser über ein Mühlrad strömen.

Kleid‘ es in Aktenordner

und beschenk‘ es mit Niedlichkeiten,

Am Ende versetzt es den Hausrat.

Mit Steuern, für das allgemeine Wohl,

einem Teil des Produkts

Sind Menschen, weil körperlich

immer am Säen und Ernten,

Soldaten sind auch körperlich,

behüte das Werkzeug deines Körpers,

Er beschützt dich als Wesen

Vor Sintflut und Gaunerei.

J. W. Rosch
geb. 1967 in Charkiv, lebt in Frankfurt am Main. Gedichte, Prosa, Roman. Bisher bei LLV erschienen: Jokhang-Kreisel. Gedichte und kurze Prosa mit Zeichnungen von Anna H. Frauendorf (2003), Goðan Daginn. Gedichte. Mit Radierungen von Mechthild Mansel (2010).

Ein Kommentar

  1. „Nun ja, zunächst einmal ist Ezra Pound in meinem Milieu ein großes Geschäft, praktisch eine Industrie. Gar mancher amerikanische Graphomane hat in Ezra Pound sowohl einen Meister wie einen Märtyrer gefunden. Als junger Mann habe ich einiges von ihm ins Russische übersetzt. Die Übersetzungen waren nichts wert, doch wären sie beinahe sogar veröffentlicht worden, und zwar dank eines Kryptonazis in der Redaktion einer seriösen literarischen Zeitschrift (jetzt ist der Mann natürlich ein eifernder Nationalist). Mir gefiel das Original aufgrund seiner studentischen Frische und des strengen Verses, aufgrund seiner thematischen und stilistischen Vielfalt und aufgrund seiner umfangreichen kulturellen Verweise, die damals außerhalb meiner Reichweite lagen. Mir gefiel auch sein Motto vom ‚make it new‘ – das heißt, es gefiel mir, bis ich begriff, dass der wahre Grund dafür, es neu zu machen, darin lag, dass ‚es‘ reichlich alt war; dass wir uns eigentlich in einer Art Reparaturwerkstatt befinden. Was seine schlimme Situation in St. Elizabeth anging, so gab es für russische Augen nichts, worüber man sich aufregen konnte, und es war jedenfalls immer noch besser als die neun Gramm Blei, die ihm seine Radioreden während des Krieges vielleicht anderswo eingetragen hätten. Die Cantos ließen mich ebenfalls kalt; der Hauptirrtum war ein alter: das Streben nach Schönheit. Für jemanden, der so lange in Italien gelebt hat, schien es seltsam, dass ihm nicht klargeworden war, dass Schönheit sich nicht erzielen lässt, dass sie immer ein Nebenprodukt anderer, oftmals sehr gewöhnlicher Beschäftigungen ist. Es wäre fair, so dachte ich, man würde seine Gedichte zusammen mit seinen Reden in einem Band herausgeben, ohne jede gelehrte Einführung, und dann abwarten, was geschieht. Von allen Menschen hätte doch wenigstens ein Dichter wissen sollen, dass die Zeit keine Entfernung zwischen Rapallo und Litauen kennt. Ich dachte auch, es sei mannhafter zuzugeben, dass du dein Leben versaut hast, als in der Pose eines verfolgten Genies zu verharren – bedenkt man all das Armhochreißen zum faschistischen Gruß, die späteren Dementis der Bedeutung der Geste, die zurückhaltenden Interviews und die Kultivierung des Erscheinungsbildes eines Weisen mit Pelerine und Stab, mit dem Ergebnis, dass er Haile Selassie glich.“ (Joseph Brodsky, November 1989)

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