Über die Schizophrenie des Schreibens (Flucht und Wiederkehr XVI)

Sie singt, er sucht, sie schleicht, er schreckt,
si
e schwebt, sie sieht:
Er fängt sie auf –
sie sinkt.

Schreiben kann vieles sein, wie beispielsweise das Bewundern von Schönheit einer noch ungeborenen, nur geahnten Syntax; Formgebung, Schöpfungsakt, Tempelbau aus Silben.

Bei anderen, profaneren Anlässen verführt das Schreiben zu einem trügerischen Gefühl der Kurzweile, spielt mit mehr oder weniger feinen Spitzen und manchmal auch allzu liebevoll konstruierter Verachtung.
Zuweilen treibt das Schreiben dann die größten Blüten, da das Äußere, die Maske, und das Innere, das Ungewisse, einander durchdringen. In jenen Momenten tauften einige, wenige Worte ganze Gesschlechter; und doch, mir ist, als sei die Erinnerung an jene Kraft am Vergehen.

Das Schreiben überkommt sich selbst, denn stets ist das Schreiben voller Struktur: seine Symbole sind von vornherein eng definiert. Doch die Freiheit des Um- und Verdichtens von Textteig, des Neuschöpfens von Sprache und Sinn schwindet.
Jenes Spielen mit Stilmitteln etwa – eines Apotheosen verheißenden Herableitens in mystische Welten ohne Grund – erreicht nicht die Massen eines  Zeitalters, das sich mit einhundertvierzig Zeichen konkretisiert und lehrt, charakterisiert und entleert.

Andererseits ist das Ganze so neu vielleicht nicht: Schreiben als Zen-Meditation. Jedes Wort ein Steinchen, jeder Vers ein kleiner Baum, jedes Gedicht ein Garten. Eingehegt und der Gefährlichkeit irrationaler Wildheit beraubt, wird das Schreiben mehr und mehr domestiziert, kultiviert und degeneriert schließlich in der Folge vollends.

Sie fragt, er schweigt, sie urteilt, er weint, sie verzeiht, er lächelt.
Sie lächelt, er fragt, sie weint, er verzeiht, sie  schweigt, er urteilt.

Die konkrete Poesie Eugen Gomringers endet nicht bei den Blumen und Alleen, bei den schönen Frauen und ihrem Bewunderer, nein, ihre Bedeutung reicht viel weiter, es ist der Versuch, den Raum des Ungefähren, der Weite und des darin rudimentär erfahrbar Heiligen zurückzuerobern, den wir in den sprachlichen, endlosen Hochhausschluchten und klapprigen Slums aus dem Blick und Sinn verlieren — wie ein mancher und vielleicht auch dieser Text beispielhaft beweist.

Sie dreht sich, um
ihn
zu ver
führen lassen letzen.

Er langte
ihr

unter den Rock.

Faron Bebt
schreibt Geschichten mit bunten Botschaften und einem hartem Kern. Immer etwas dogmatisch, aus der Zeit gefallen, verstörend verträumt - wie letzte, angemalte Großstadtbunker --Farbbeton.

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